Konstantin Quast
Christiane Spangenberg: „Was hier Schein ist, lässt sich rasch identifizieren. Der Schatten des Fotografen; das Kinn eines jungen Mannes mit kurz geschorenem Vollbart, eine Monumentalfotografie. Schatten sind niemals Wirklichkeit, sondern immer nur Zeichen, die auf Wirklichkeit verweisen; eine fotografierte Fotografie ist unbdingt Schein. Der wolkenhafte Hintergrund imponiert als Darstellung des Imaginären.
Aber was identifizieren wir dann als das Wirkliche? Vermutlich bleibt nur das Glas, das das Reklamefoto abdeckt; sowie das MateriaI, worauf des gedruckt ist. Beides unsichtbar.“
Christiane Spangenberg: „In der Regel erklärt sich auf diesen Fotografien von selbst, was als Schein und was als Wirklichkeit zu gelten hat. Ein Blick genügt. Manchmal erst ein zweiter. Aber hier scheint sich der Blick in ein Labyrinth zu verirren, in dem Ununterscheidbarkeit herrscht. Das geringste Problem bieten die Lampen; dass die Lampe scheint, wird niemand bezweifeln. sie scheint im Sinne von lucet – um die berühmte Staiger-Heidegger-Kontroverse zu bemühen. Die gespiegelte Lampe dagegen scheint im Sinne von videtur zu scheinen. Die gespiegelten Lampen haben keine Wirklickeit. Und wie verhält es sich mit den Schaufenstern rechts und links in der Passage? Die ausgestellten Waren – kaum zu erkennen – stehen metonymisch für Luxus, Eleganz, Reichtum. Geringer Wirklichkeitsgehalt. Erzeugt die Glasscheibe zwischen Betrachter und Ware die Illusion? Kauft man und nimmt die Ware in Gebrauch, schwindet der schöne Schein bald, er haftet an der starren Inszenierung des libidinösen Objekts im Schaufenster. Und dann der dramatisch schön gemusterte Estrich. Wer über ihn schreitet, scheint bereits ein anderer zu werden, sich zu verwandeln, auch wenn er nur schaut und nicht kauft. Genau besehen, kann man als Wirklichkeit nur die langweilige Mittelpartie der Decke ansprechen, zwischen der Lampen-Reihe. Dort weder lucet noch videtur.“